3. Dezember 2021, von Dominique Schroller

"Als Sammler wollte ich zeigen, was ich hatte"

Tierarzt Dr. Helmut Ende bringt den Equitana-Besuchern seit 1972 den Pferdekörper sehr plastisch nahe. 

© Equitana
Dr. Helmut Ende war mit seiner Sprechstunde bereits bei der ersten Equitana dabei. 

Mit einer Sprechstunde hat es angefangen, inzwischen ist die Tierarztlehrschau von Dr. Helmut Ende eine Institution der Equitana. Im Interview verrät er, woher seine Exponate kommen, warum er sich anfangs unter einer Pferdemesse nichts vorstellen konnte und was zu seinen schönsten Erinnerungen gehört. 

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das erste Mal von dem Projekt Equitana erfahren haben?

Dr. Ende: Erst einmal war ich skeptisch. Als Wolf Kröber zu mir kam und mich fragte, ob ich Interesse hätte, auf einer Pferdemesse ein bisschen was zu zeigen und zu erklären, konnte ich mir darunter nichts vorstellen. Von einer Pferdemesse hatte ich noch nie gehört, aus Hannover kannte ich nur die große Industriemesse. Doch Wolf Kröber ließ nicht locker und sagte, ich solle einfach das ausstellen, was ich so habe. Er wusste, dass ich in meiner Tierarztpraxis viele Zuchtbetriebe betreute und auch der Rennbahntierarzt war. 

Was hat Sie davon überzeugt, bei der ersten Veranstaltung 1972 als junger Tierarzt dabei zu sein?

Dr. Ende: Wie Sammler so sind, wollte auch ich gerne zeigen, was sich inzwischen bei mir so alles als erhaltenswert bewiesen hatte. Wolf Kröber hat mir eine gute Position in einer großen Messehalle versprochen, wo viele Leute vorbeikommen. Erstaunt konnte ich dann feststellen, dass das Interesse der Besucher weitaus größer war, als ich es mir je erträumt hatte, so dass ich dann bald als Aussteller zu alle möglichen Orten gebeten wurde, wo sich Pferdeleute treffen. Schließlich habe ich Verfahren entwickelt, die Pferdeorgane haltbar und hygienisch unbedenklich zu machen.  In meiner Wohnung sammelten sich dadurch immer mehr Pferdeknochen und sonstige Körperteile an. Wo Menschen sonst Kleidungsstücke und Reiseandenken lagern, fanden sich bei mir getrocknete Därme und Gehirne. Dadurch ergaben sich allerdings auch unangenehme Momente: Einer jungen Dame, die bei mir zum Kaffee eingeladen war, fiel beim Öffnen einer Küchenschranktür tatsächlich eine Stutengebärmutter entgegen, ohne dass ich das bewusst provoziert hatte. 

Das war dann eine sehr plastische Erfahrung. Welche Präparate ihrer Sammlung haben denn besonders große Aufmerksamkeit bekommen?

Dr. Ende: Die größte Aufmerksamkeit weckt alles, was sich bewegt. Im ersten Jahr hatte ich meine Exponate erst einmal nur auf Tische gelegt und Erläuterungen dazu geschrieben. Dann habe ich die Präparate in Augenhöhe aufgehängt, damit die Leute sie von allen Seiten betrachten und auch anfassen konnten. Die häufigsten Themen in meiner Tierarztpraxis habe ich mit Präparaten und kurzen Texten zur Pferdegesundheit angesprochen wie beispielsweise das Thema „Husten“, wozu ich eine atmende Lunge präsentieren konnte oder das Thema „Kolik“, bei dem ein Darm im Wasserbecken die Peristaltik veranschaulichte. Ein sich bewegendes Herz hatte ich zum Thema „Training und blutende Wunden“ aufgebaut, während ein geöffnetes Pferdebein zur Demonstration von Problemen rund um die „Lahmheit“ diente.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Sammlung mit diesen vielen Objekten zusammenzustellen?

Dr. Ende: Da ich den gelegentlichen Berufsschulunterricht für Auszubildende in Pferdeberufen übernommen hatte, hat es sich ergeben, dass ich immer wieder neue Dinge aus der Tierarztpraxis in den Unterricht mitgenommen habe. Keiner der Lehrlinge hatte bis dahin ein tierärztliches Instrument aus der Nähe gesehen oder das abgetrennte Bein eines eingeschläferten Pferdes in der Hand gehabt. Bald wurde ich durch mein ständig wachsendes Anschauungsmaterial auch ohne eine Ausbildung als Pädagoge zu einem beliebten Lehrer.

© Equitana
Das begehbare Pferd ermöglichte den Besuchern, eine Reise durch die Welt der Organe zu unternehmen. 

© Equitana 
Anhand seiner Sammlerstücke erläutert Dr. Helmut Ende den Besuchern die Funktion des Pferdekörpers. 

Ihr Wissen haben Sie alle zwei Jahre auch den Equitana-Besuchern sehr anschaulich nahe gebracht. Was hat Sie angespornt, die Lehrschau immer plastischer und umfangreicher zu gestalten?

Dr. Ende: Mir hat es einfach Spaß gemacht, ständig etwas Neues auszutüfteln, um den Menschen die Funktion des Pferdekörpers nahe zu bringen. Irgendwann hatte ich die Idee, auch die inneren Organe sichtbar zu machen. Erst habe ich daran gedacht, so etwas in einem Pferdeanhänger zu präsentieren. Dann aber hat es sich ergeben, dass ein Künstler ein naturgetreues riesiges Vorder- und Hinterteil gestaltet hat. Dazwischen entstand dann eine  acht Meter lange begehbare Rumpfröhre. An der dritten Rippe konnten die Besucher über ein Treppchen in den Brustkorb steigen, in dem sie von dem riesigen Herz und der Lunge umgeben waren; dann mussten sie sich an der Aorta vorbei durch das Zwerchfell hindurch in die Bauchhöhle nach hinten hindurcharbeiten. Den Ausgang erreichten sie neben dem rechten Eierstock, wo ein Treppchen ins Freie führte. 

Was möchten Sie den Equitana-Besuchern mit Ihrer Lehrschau vermitteln?

Dr. Ende: Mir ist wichtig, dass die Menschen sich noch lange nach dem Messebesuch an die vielen Tipps zur Pferdegesundheit erinnern können. Ich konnte durch Gespräche noch nach Jahren erkennen, dass sie markante Messeinformationen im Heimatstall in die Tat umgesetzt haben, wenn die Themen entsprechend eindrucksvoll und nicht nur andeutungsweise behandelt wurden.  Auch Blut in einem Bild haben viele Besucher nicht nur abschreckend bewertet, es hatte belehrende Funktionen, wenn es um richtige Erste-Hilfe -Maßnahmen ging. 

Was haben Sie selbst von oder auf der Equitana gelernt?

Dr. Ende: Zunächst habe ich versucht, das Moderieren zu lernen; es ging darum, beim Publikum zu erreichen, dass es sich noch möglichst lange an bestimmte Situationen erinnert. Ich habe erkannt, dass ich am besten nie länger als fünf Minuten bei einem Thema bleibe und wenn möglich immer den Gegenstand in der Hand haben sollte, über den ich gerade spreche. Ein kleiner Witz zwischendurch hat die Sache aufgelockert.

Was bedeutet für Sie die Equitana?

Dr. Ende: Die Equitana erfordert eine gute Kondition, denn ich rede dort neun Tage lang fast ununterbrochen. Früher habe ich auch dreimal am Tag anhand eines echten Pferdes einen einstündigen Erste-Hilfe-Kurs durchgeführt. Das ist anstrengend, macht aber auch sehr viel Freude – besonders dann, wenn eine unermessliche Pferdebegeisterung der Messebesucher erkennbar ist und man den Eindruck hat, dass viele der angesprochenen Gesundheitsthemen auch wirklich zu Hause berücksichtigt werden.

Privat sind Sie ein passionierter Sammler. Welche Equitana-Erinnerungen gehören zu den Schönsten in ihrer Sammlung?

Dr. Ende: Zunächst habe ich versucht, das Moderieren zu lernen; es ging darum, beim Publikum zu erreichen, dass es sich noch möglichst lange an bestimmte Situationen erinnert. Ich habe erkannt, dass ich am besten nie länger als fünf Minuten bei einem Thema bleibe und wenn möglich immer den Gegenstand in der Hand haben sollte, über den ich gerade spreche. Ein kleiner Witz zwischendurch hat die Sache aufgelockert.

Was wünschen Sie der Equitana für die Zukunft?

Dr. Ende: Eigentlich wünsche ich mir, dass es so ähnlich wie bisher weiter geht. Es wäre schön, wenn das Beispiel der holländischen Messen, wo Studenten mit einer Handvoll Besuchern eine Führung durch die Lehrschau machen auch bei uns umgesetzt werden könnte. Der Lerneffekt zum Nutzten der Pferdegesundheit ist erheblich größer und haftet intensiver im Gehirn. Noch intensiver bleibt ein Erlebnis in Erinnerung, bei dem eine Person einen Gegenstand selbst bearbeiten und sogar dann mit nach Hause nehmen kann. Das zeigt das Beispiel meiner Lungensektion: Wenn ich am Abend die noch in der Maschine „atmende“ Lunge zerschneide und ich Besucher bitte, mir dabei zu helfen und auch kleine Lungenstücke zum Mitnehmen verteile, ist das Thema Pferdehusten intensiver abgehandelt als durch die beste Videoanimation. 

Dr. Ende: Zunächst habe ich versucht, das Moderieren zu lernen; es ging darum, beim Publikum zu erreichen, dass es sich noch möglichst lange an bestimmte Situationen erinnert. Ich habe erkannt, dass ich am besten nie länger als fünf Minuten bei einem Thema bleibe und wenn möglich immer den Gegenstand in der Hand haben sollte, über den ich gerade spreche. Ein kleiner Witz zwischendurch hat die Sache aufgelockert.

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